NS-Zeit und 2. Weltkrieg (1933 - 1945)
Die durch die ökonomische Krise ausgelöste Arbeitslosigkeit und Armut trugen zum Aufstieg der NSDAP und Adolf Hitler bei. Hinzu kam die geringe Verwurzelung der Demokratie, was auch mit ihrer Entstehung als Bedingung der Siegermächte des 1.Weltkriegs verbunden war, genauso wie die "unvollständige" Revolution von 1918, die die Führungsschicht des Kaiserreichs weitestgehend im Amt beließ. Der Versailler Vertrag, der als Knebelvertrag betrachtet wurde und der die demokratischen Politiker, obwohl sie kaum politischen Spielraum hatten, als "Erfüllungsgehilfen" der Siegermächte dastehen ließ, wie auch die von Hindenburg in die Welt gesetzte "Dolchstoßlegende", die den demokratischen Kräften die Schuld an der Niederlage von 1918 gab, trugen hierzu ebenso ihren Teil bei. Auch strukturelle Schwächen der Weimarer Verfassung und eine eklatante Fehleinschätzung der Gefahr, die von Hitler ausgeht, durch bürgerlich-konservative und sozialdemokratische Politiker führten letztendlich zur Machtergreifung Hitlers.
Der erste Schritt hierzu war Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30.1.1933. Als am 27.2. der Reichstag brannte, nutzte Hitler die Chance des Augenblicks um mit der "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" ("Reichstagsbrandverordnung") die Grundrechte aufzuheben und damit die formale Grundlage seiner Regierung, das eigentliche Staatsgrundgesetz des 3. Reiches, zu schaffen. Mit dem "Ermächtigungsgesetz" vom 24.3.1933 wurde die Gesetzgebungskompetenz auf die Reichsregierung und damit Hitler übertragen und somit de facto die Gewaltenteilung aufgehoben. Schließlich wurden SPD und KPD zerschlagen und verboten und am 14.7.1933 durch das Gesetz "gegen die Neubildung von Parteien" die NSDAP als einzige Partei in Deutschland institutionalisiert. Auch die Länder wurden gleichgeschalten und somit der Föderalismus aufgehoben. Das Gesetz über das Berufsbeamtentum sorgte für die Gleichschaltung von Rechtsprechung und Verwaltung. Mit dem Röhm-Putsch (30.6. - 2.7. 1934) riss Hitler schließlich die Legislative an sich, womit der Führerstaat endgültig eingerichtet war.
Die Gleichschaltung machte auch nicht vor dem Vereinsleben halt. Die Verbandsführung des deutschen Sängerbundes setzte schon im Vorfeld der Gleichschaltung das Führerprinzip auf allen Verbandsebenen durch. Zur gleichen Zeit wurde die Arbeit des politisch eher links stehenden Arbeiter-Sängerbunds bereits ab März 1933 durch die Machthaber massiv beeinträchtigt. Ab Mai begann dann die Auflösung des Arbeiter-Sängerbundes.
Auch die Protokolle des Liederkranzes Talheim spiegeln das Geschehen wieder. Es wird von "Umwälzungen im Vereinsleben" gesprochen, ausgelöst durch die "Revolution". Der Arbeiter-Gesangverein "Sängerlust" in Talheim wurde mit der Begründung aufgelöst, dass es in Gemeinden bis 2000 Einwohnern nur noch einen Gesangverein geben durfte. Das bescherte dem Liederkranz eine "stattliche" Anzahl neuer Sänger, da etliche Sänger des Arbeiter-Gesangvereins zum Liederkranz wechselten. Damit löste sich das akute Mitgliederproblem des Vereins der frühen 30er-Jahre.
Zu weiteren Veränderungen kam es dann im Jahre 1934. Im Protokoll der Generalversammlung vom 21. 1. 1934 steht zu lesen: "Der schwäb. Sängerbund verlangt laut Statuten, dass die Vereinsleitung der heutigen Zeit entsprechend neu gewählt, oder aber durch einige NSP [Nationalsozialistische Partei, d. Verf.]- Mitglieder ergänzt werden müsse. Deshalb trat die ganze Vereinsleitung zurück." Bei der Neuwahl wurde Karl Wildförster Vereinsvorstand. Auch die Bezeichnung "Vorstand" und "Beirat" gab es nicht mehr. Offiziell hieß es jetzt "Führer" und "Führerbeirat". Die Bezeichnung "Vorstand" taucht jedoch ab dem Jahre 1935 wieder häufig in den Protokollbüchern auf. Ab 1936 wurden die Mitglieder des "Führerbeirats" nicht mehr gewählt, sondern vom Vereinsführer bestimmt.
Auch die Anlässe für Auftritte des Vereins änderten sich. Sang man 1928 noch beim 25 jährigen Jubiläum der Talheimer SPD, so beteiligte man sich nun an den "Deutschen Abenden" der Talheimer SA, nahm an einem "Saardankgottesdienst" anlässlich der Eingliederung des Saarlands ins Reich (1935) teil und sang auf den Feiern anlässlich des Führergeburtstags (1941). Auch "Wahlveranstaltungen" der NSDAP wurden musikalisch untermalt. Diese Wahlveranstaltungen hatten jedoch nichts mit freier, gleicher und geheimer Wahl zu tun. Das wird auch in einer Bekanntmachung des Talheimer Bürgermeisteramts zu solch einem Plebiszit am 19. August 1934 deutlich: "Die Gemeinde Talheim muss dieses Mal unter allen Umständen eine 100%ige Beteiligung und "JA"-Stimmenzahl melden können. Wer der Wahl fernbleibt, oder mit Nein stimmt, hat jedes Recht als Talheimer und als Deutscher verwirkt."
Es gab jedoch auch in dieser Zeit "unpolitische" Vereinsauftritte. Man beteiligte sich an mehreren Wertungssingen, sang oft auf Hochzeiten von Mitgliedern und nahm an Sänger- und Liederfesten in Heilbronn (1934) und in Stuttgart (1938) teil. Auch am "Talheimer Herbst", der in den Jahren 1934 - 1938 stattfand, beteiligte man sich regelmäßig.
Besonders problematisch war in dieser Zeit die Frage des Vereinsausfluges. So brachte der einzige größere Ausflug in der Zeit von 1933 bis 1945 den Verein im Jahre 1936 nach Bad Mergentheim. Ausflüge in den Jahren 1935, 1937 (Hohenzollern), 1938 und 1939 (Bruchsal, Schwetzingen) wurden zwar geplant bzw. diskutiert, aber wegen geringem Interesse der Mitglieder nicht durchgeführt. Offensichtlich konnte ein großer Teil der Mitglieder das hierfür nötige Geld nicht aufbringen. Deshalb fanden Ausflüge ab dem Jahre 1940 nur im Rahmen von Wanderungen in der näheren Gegend, zum Beispiel nach Schozach oder nach Nordheim, statt.
Am 26.4.1939, 5.5.1939 und am 28.7.1939 gab es gemeinsame Sitzungen des Vorstandes des Liederkranzes und des katholischen Kirchenchors "Cäcilia" zwecks eines Zusammenschlusses beider Vereine. Die Verhandlungen scheiterten jedoch. Das Protokoll sagt nichts über die Gründe des Scheiterns aus. Nach dem Scheitern der Verhandlungen wurde vom Liederkranz ein gemischter Chor gegründet.
Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg. Als direkte Folge des Kriegsausbruchs wurden im September 1939 die Singstunden eingestellt. Schon im Oktober wurden sie jedoch auf Drängen des Gaus wieder aufgenommen. Die Reihen des Chores waren von da an gelichtet, da viele Sänger zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Verstärkung fand der Verein durch etliche Frauen: Im Jahre 1940 verzeichnet das Protokoll den Beitritt von "1 1 Mädchen". Unter Chormeister Robert Edler, den der Verein im Jahre 1939 verpflichten konnte, sang der Verein in den Jahren 1940/41 mehrfach für das Rote Kreuz und das Winterhilfswerk. Auch für die ausmarschierten Sängerwurde gesammelt.
Die Protokollaufzeichnungen enden mit der Versetzung Edlers im Juli 1941. Aus den Kassenberichten kann jedoch darauf geschlossen werden, dass mindestens bis ins Jahr 1944 weitergesungen wurde, offensichtlich unter der Leitung von Oberlehrer Speck, der den Verein schon in den Jahren 1929-35 geleitet hatte.
Der Einmarsch amerikanischer Truppen in Talheim am 14.4.1945 beendete für die Talheimer den Krieg. In diesen Tagen leistete die Hochstetter-Wirtin Hedwig Knöll dem Verein einen besonderen Dienst: Sie rettete die Vereinsfahne, indem sie sie von einem amerikanischen Panzer zog. Fahnen waren für amerikanische Gls ein besonders beliebtes Souvenir. Insgesamt beklagte man im Ort 91 Gefallene und 37 Vermisste. Weltweit hatte der zweite Weltkrieg über 36 000 000 Menschen das Leben gekostet.
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